Elke Wilgmann: „Wir möchten aktiv Vielfalt fördern“
Der Lebensmittelhändler BILLA hat sich vor kurzem mit einer Mitarbeiter:innen-Kampagne ganz bewusst
an Arbeitssuchende mit besonderen Herausforderungen gewandt: Ältere, Menschen mit Behinderungen und Jugendliche. Und für den Kampagnen-Stil Kritik kassiert. BILLA-Vorständin Elke Wilgmann im Interview über Kritik, ehrlich gemeinte Entschuldigungen und die Vorteile, die Vielfalt mit sich bringt.
Elke Wilgmann, Vorständin BILLA
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Die Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass die Langzeitarbeitslosigkeit in Österreich stark zugenommen hat. Laut AMS war Ende Oktober jeder vierte Arbeitslose langezeitarbeitslos. Besonders betroffen sind Ältere und Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen. Und auch für Jugendliche ist die berufliche Orientierung in Zeiten der Pandemie nicht einfacher geworden. Diese Arbeitssuchenden wollte BILLA im Rahmen der aktuellen diesjährigen Employer Branding-Kampagne gezielt ansprechen. Der Stil der zweiteiligen Kampagne mit Aussagen wie „Mit einer Behinderung wirst Du nicht gebraucht“ wurde allerdings zum Teil scharf kritisiert. Wie der Lebensmittelhändler damit umgeht, und welche Intentionen hinter der Kampagne stehen, erläutert BILLA-Vorständin Elke Wilgmann.
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Frau Wilgmann, wie gehen Sie mit der weitreichenden Kritik an dieser Kampagne um?
Elke Wilgmann (EW): Mit einer ehrlich gemeinten Entschuldigung. Wir wollten mit dem ersten Teil unserer Kampagne Vorurteile auf dem Arbeitsmarkt thematisieren, durchaus werblich provokant zum Nachdenken anregen. Dabei haben wir aber besonders Menschen mit Behinderungen und deren Angehörige verletzt. Das wollten wir an keiner Stelle und entschuldigen uns ausdrücklich dafür.
Welche Konsequenzen haben Sie gezogen bzw. welche Learnings nehmen mit?
EW: Wir haben sofort den zweiten Teil der Kampagne „Das Gelbe vom Job“ vorgezogen und die provokanten Statements aufgelöst. Im besonders kritisierten Fall damit, dass Menschen mit Behinderungen gebraucht werden und bei uns als Teil des Teams hochwillkommen sind. Und wir haben ausführliche persönliche Gespräche mit dem Österreichischen Behindertenrat und der Organisation „BIZEPS – Zentrum für Selbstbestimmtes Leben“ geführt. Als Learning nehmen wir mit, Betroffene bzw. ihre Interessenvertretungen künftig in solche Kampagnen von Beginn an einzubinden.
Gehen wir noch einmal zurück an den Anfang – was hat BILLA dazu gebracht, gerade diese Zielgruppen mit einer Mitarbeiter-Kampagne anzusprechen?
EW: Wir setzen bei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Vielfalt, fördern sie aktiv. Unser großes Team spiegelt die Vielfalt unserer Kundinnen und Kunden wider, darauf sind wir sehr stolz. Und wir lehnen haltlose Vorurteile explizit ab, daher haben wir ganz bewusst Arbeitssuchende aus diesen Zielgruppen angesprochen, damit sie sich bei uns bewerben. Und alle Personen, die man in der Kampagne sieht, sind BILLA-Kolleginnen und -Kollegen, die sich für diese Vielfalt engagieren. Zum Beispiel unsere Behinderten-Vertrauensperson auf einem Plakat.
Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderung beschäftigt BILLA eigentlich?
EW: Bei uns arbeiten mittlerweile 660 Kolleginnen und Kollegen mit unterschiedlichsten Behinderungen wie Lernschwierigkeiten oder chronischen Erkrankungen in der Zentrale, unseren Märkten, im Onlineshop und in der Logistik. Und es sollen künftig noch mehr werden. Wir wenden uns dafür in unseren Stelleninseraten aktiv an Menschen mit Behinderungen, alleine heuer konnten wir schon mehr als 100 bei uns aufnehmen. Darunter auch zahlreiche Lehrlinge, womit wir jetzt 220 integrative Lehrlinge bei uns ausbilden. Wir kooperieren dabei mit vielen Organisationen. Außerdem ist unsere Online-Jobbörse zertifiziert barrierefrei, damit stellen wir sicher, dass alle Arbeitssuchenden sich online bewerben können und ihnen alle notwendigen Informationen zur Verfügung stehen.
Sie haben sich mit Ihrer Kampagne auch an ältere Bewerber gewandt …
EW: … weil das doch eines der dümmsten Vorurteile ist. Ein Drittel unserer mehr als 30.000 Beschäftigten sind ältere Kolleginnen und Kollegen. Sie sind mit ihrem Know-how, ihrer Erfahrung und Beständigkeit eine tragende Säule unseres Unternehmens. Seit vorigem Jahr konnten wir mehr als 1.500 ältere Beschäftigte dazugewinnen. Und freuen uns über jede Bewerbung – gerne auch von Quereinsteigern.
Sie thematisieren in der Kampagne auch Karrieremöglichkeiten für junge Menschen – was hat BILLA da zu bieten?
EW: Gerade in der Unsicherheit der Pandemie eine Karriere-Perspektive für junge Menschen. Unsere derzeit 1.700 Lehrlinge werden in 10 Lehrberufen ausgebildet. Mit attraktiven Leistungsprämien für gute Leistungen in der Berufsschule und beim Lehrabschluss. Besonders engagierten Lehrlingen finanziert BILLA einen, in kurzer Zeit absolvierbaren, zweiten Lehrabschluss zur Bürokauffrau oder zum Bürokaufmann. Wir bieten auch Lehre mit Matura an. Und nach dem Lehrabschluss steht die Tür für diverse Fachkarrieren oder weiterführende Ausbildungen zur Führungskraft mit dem Nachwuchsführungskräfte-Programm für alle Interessierten weit offen und diese Chance nutzen viele Beschäftigte.
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Der Beitrag erschien ebenfalls in der Tageszeitung KURIER am 7.12.2021.